Figuren wie diese stammen von den Kykladen, einer Inselgruppe in Griechenland. Sie werden als Kykladenidole bezeichnet. Bei dieser Figur wurden die Halslinien und die Rückenlinie mit roter Ockerfarbe betont. Details wie Augen und Haare waren ursprünglich in schwarzer Farbe aufgemalt.
Aber was sollen die roten Punktreihen im Gesicht der abstrakt gestalteten Frau bedeuten?
Wir kennen aus vielen Kulturen das Phänomen, dass auf die Haut aufgemalte oder eintätowierte Ornamente Hinweise auf die gesellschaftliche Stellung, familiäre Zugehörigkeit oder religiöse Überzeugungen geben. Und so wird es auch bei dieser Figur sein: Zeitgenössische Betrachter konnten aus diesen Ornamenten eine Information herauslesen, die uns verloren gegangen ist.
Die Beine unterhalb der Knie wurden abgeschlagen, bevor die Figur als Beigabe in ein Grab gelegt wurde. Durch Zerstörung können Objekte am Endpunkt einer Nutzung bewusst unbrauchbar gemacht und der profanen Wiederverwendung entzogen werden.
Die kykladischen Marmorfiguren stehen in der Tradition der steinzeitlichen Frauenbilder. Sie gehören in einen Kulturkreis vom Mittelmeerraum über den Balkan bis nach Anatolien. Allen diesen Kulturen ist gemeinsam, dass sie aus Ton und Stein kleinformatige menschliche Figuren herstellen. In der Kykladenkultur werden nackte Frauen mit unter den Brüsten zusammengelegten Armen in unterschiedlichen Abstraktionsgraden dargestellt. Die Deutung bleibt offen: Handelt es sich um menschliche Frauengestalten, Mittlerinnen ins Jenseits oder Göttinnen?