Um die Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. hatte man auf dem großen baiuvarischen Friedhof von Altenerding zwei junge Menschen, beide Anfang 20, gemeinsam in einer Grabgrube bestattet. Sie waren wohl gleichzeitig verstorben. Der Frau hatte man ihren Schmuck ins Grab mitgegeben, dem Mann etwas Werkzeug. Die Skelette waren so gut erhalten, dass die DNA der beiden Individuen ermittelt werden konnte. Dadurch zeigte sich, dass sie nur sehr weitläufig miteinander verwandt waren. Vielleicht waren sie Cousin und Cousine. Vielleicht auch ein entfernt verwandtes Liebespaar oder Eheleute?
Ihre Todesursache konnte jedenfalls mithilfe der DNA einwandfrei bewiesen werden. Beide waren an der Pest gestorben, die durch das Bakterium „Yersinia Pestis“ verursacht wurde. Im 8. Jahrhundert ebbte die Pest nach mehreren Wellen von selbst ab. Doch schon ab 1347 kam sie für die nächsten drei Jahrhunderte in regelmäßigen Abständen wieder. Die Pandemie wurde zu einem Dauerproblem in Europa.
Verlässliche Angaben über die genaue Anzahl der Todesopfer sind schwer zu gewinnen. Schätzungen zufolge sind im Mittelalter 1/10 bis 1/3 der Menschen an der Pest verstorben. Erst ab dem 17. Jahrhundert wurden Quarantänemaßnahmen eingeführt und Infizierte isoliert. Ab dem späten 18. Jahrhundert verschwand die Pest in Europa. Das lag wahrscheinlich an den verbesserten hygienischen Lebensbedingungen und Wohnverhältnissen.
Rattenschädel Leihgabe der Staatssammlung für Paläoanatomie München
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Paulus Diaconus schreibt zum Jahr 565 n. Chr.:
Zu dieser Zeit brach besonders in der Provinz Liguria eine fürchterliche Pest aus … Es entstanden an den Leisten der Menschen und an anderen heimlichen Stellen Geschwulste wie Nüsse oder Datteln, worauf bald unerträgliche Fieberhitze und am dritten Tage der Tod erfolgte. Überlebte aber einer den dritten Tag, so hatte er Hoffnung, durchzukommen … Da konnte man sehen, wie aus Dörfern und Städten, noch jüngst von ganzen Haufen Menschen angefüllt, am andern Tag alles geflohen war und nun überall Todesstille herrschte. Die Söhne flohen von den unbestatteten Leichen ihrer Eltern hinweg, die Eltern vergaßen herzlos ihre Pflicht und ließen die Kinder in der Fieberhitze liegen. Und dieses Unglück verbreitete sich nicht über die Grenzen Italiens hinaus zu den Alamannen und Baiuvarern, sondern traf allein Italien.
Nicht zu den Baiuvaren? Da scheint Paulus Diaconus falsch informiert gewesen zu sein. Denn der Pesterreger ist im Frühen Mittelalter auf bayerischem Gebiet mittlerweile vielfach nachgewiesen. An den Gräbern lässt sich allerdings kein vergleichbares Auseinanderbrechen der sozialen Ordnung wie in Italien ablesen.
Die Toten wurden weiterhin in der üblichen Form mit wertvollen Beigaben beigesetzt. Massengräber kennen wir bislang keine. Auch ein flächendeckender Siedlungsabbruch ist nicht nachweisbar. Möglicherweise grassierte die Pest in den ländlichen Siedlungen Süddeutschlands nicht so stark wie in den Städten Italiens?